„Die menschliche Fähigkeit, zu handeln, hat die Fähigkeit, zu verstehen, weit übertroffen. Daraus erwächst für die Zivilisation ein Orkan von Problemen, ausgelöst durch Überbevölkerung, Überkonsum der Reichen, Einsatz umweltschädlicher Technologien und schlimme Ungleichheiten.“
Ernst Ulrich von Weizsäcker
Stärke ohne Kampf, Schönheit ohne Begehren, Wissen ohne Urteil – das ist Weisheit.
Der Mensch beeinflusst die Umwelt und nicht immer ist er sich über das Ausmaß dessen bewusst. Der „ökologische Fußabdruck“ stellt lediglich die materielle Seite des Einflusses dar und selbst dabei würden sich wohl die meisten unter uns stark unterschätzen: Energie- und Ressourcenverbrauch, Müllerzeugung, CO2-Ausstoß, einschließlich der verzehrten Tiere. Mittlerweile stellen nur noch Unverbesserliche in Abrede, dass wir fast 3 Planeten vom Schlage „Erde“ bräuchten, wenn jeder unserer heute knapp 8 Mrd. Mitmenschen so leben würden, wie der deutsche Durchschnitt. Wie weit die Mess- und Schätzwerte an der Tatsache liegen, das kann niemand genau wissen. Natürlich hat der Mensch nicht nur eine destruktive Wirkung auf den Planeten. Er kann durch sein Verhalten dazu beitragen, Ressourcen zu schützen, Räume schaffen, in denen sich vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten erholen können und danach Forschen, welche Wege am ehesten zu Zielen führen, die unsere Lebensgrundlage – ökologisch, biologisch und sozial – künftig immer besser erhalten.
Dennoch bleibt es unbenommen, dass der Mensch durch das was er zivilisatorischen Fortschritt nennt, mehr auf die Erde einwirkt, als er durch seine natürliche Beschaffenheit und die quantitative Ausbreitung seiner Art (vor Beginn der neolithischen Revolution lebten schätzungsweise 10 Millionen Menschen auf dem Planeten) psychisch verkraften kann. Mit anderen Worten: Wir könnten wissen, was wir anrichten, wollen es aber nicht wahrhaben. Einzig aus diesem Grund, wird der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel gern klein- oder weggeredet, werden absurde, mitunter putzig sympathische Ausreden erdacht, weshalb man lieber mit dem SUV als mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren mag, werden lange Geschichten erzählt, um die Mülltrennung als „bekloppte Erfindung einer Kleinpartei mit Hang zur geheuchelten Selbstkasteiung“ zu verklären. Es entsteht eine Spannung zwischen zwei Selbstbeschreibungen, die zusammengehören, aber nicht zusammen ertragen werden können: „Ich bin ein soziales Wesen mit hohem Status, Macht und Einfluss in Gruppe und Gesellschaft“ und „Ich kann doch nichts machen, es sind die anderen (Politik, Wirtschaft), die die Verantwortung für Erderhaltung und Fortschritt zu tragen haben“. Um das schlechte Gewissen wegen der vorsätzlichen Ablehnung von Verantwortung zu deckeln, begeben wir uns in ein Bewusstsein der selbstgewählten Verkleinerung unseres Verantwortungskreises. Wir vernebeln uns. Wir machen uns kleiner als wir sind, um die Augen vor unserem Einfluss auf die Umwelt zu verschließen:
- Energie-, Ressourcen- und CO2-Verbrauch
- unser Verhalten als (Mit-)Ursache für das Verhalten anderer Menschen
- unsere Einstellungen und (Vor-)Urteile auf das was wir sehen, denken und wie wir infolge dessen handeln
Diese Vernebelung ist jedoch eine tückische Droge: kurzfristig wirkt sie beruhigend, schuldabweisend, bestätigend. Langfristig nähert sie unsere Unausgeglichenheit, Rastlosigkeit, Angst. Wir verlangen daher mehr von dieser Vernebelung. Wir werden gierig nach ihr. Bekommen wir nicht rechtzeitig die Dosis, die wir brauchen, werden wir unausstehlich, beginnen etwas in oder um uns zu hassen, greifen zu anderen Drogen wie Alkohol. Im Extremfall verfallen wir in Blutrausch, müssen zwanghaft Tiere oder Menschen auch körperlich verletzen oder töten.
Die aus der Verblendung resultierende Gier zeigt sich oft auch im fanatischen Schwarz-Weiß bzw. Freund-Feind-Denken. Eben noch treuer Bundesbürger, jetzt glühender „Merkel muss weg“-Skandierer. Grautöne werden nicht zugelassen. Differenzieren wäre ein Zeichen von Schwäche oder Wankelmut. Entweder ist jemand ganz groß oder der letzte Dreck. Ein Blick auf glühende Putin-Verteidiger in Facebook oder Youtube-Kommentarspalten genügt.
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